Der erste Schritt

April 2021

Es ist Sonntagabend nach Ostern, der 11.04.2021. Wir befinden uns mitten in der „dritten Welle“, aber so langsam wird es Zeit, auch meinen (Lauras) Arbeitgeber in den Plan der Weltreise einzuweihen. Nachdem Johannes schon eine mündliche Zusage für unbezahlten Urlaub bekommen hat, wird der Drang bei mir immer größer, auch endlich Planungsgewissheit für meine Jobauszeit zu bekommen. Außerdem möchte ich endlich meine Familie einweihen.

Obwohl der grobe Zeitplan für mein Arbeitgebergespräch schon lange feststeht und auch Johannes sein Gespräch schon vor ein paar Wochen erfolgreich hinter sich gebracht hat, fällt mir auf einmal auf: Die nächste Woche kommt doch tatsächlich schon für DAS GESPRÄCH in Frage!

Die Verkündung, das Warten auf einen guten Zeitpunkt, all das ist schon seit Monaten durchgeplant. Einen festen Tag hatte ich mir hierfür aber nie gesetzt. Es sollte bei einer passenden Gelegenheit oder in einem ohnehin angesetzten Personalgespräch passieren.

Ein Personalgespräch steht in nächster Zeit nicht auf dem Plan. Besonders lange will ich aber auf keinen Fall noch warten. Außerdem stehen die Chancen auf eine Kooperation des Arbeitgebers bei frühzeitiger Planung deutlich besser.

Was aber insbesondere für die folgende Arbeitswoche spricht: meine Kollegin, mit der ich zusammen im Büro sitze, hat noch Urlaub. Ich könnte also unbemerkt ins Personalgespräch gehen ohne im Anschluss Fragen ausweichen zu müssen. Es fällt mir ohnehin schwer genug, ihr gegenüber nichts zur Weltreiseplanung herausrutschen zu lassen. Wenn ich Notlügen vermeiden kann, will ich die Gelegenheit nächste Woche nutzen. Ach, was freue ich mich darauf, endlich offen mit allen über die Weltreise sprechen zu können…

An diesem Sonntag fälle ich also den festen Entschluss, meinen Gruppenleiter in der nächsten Woche um ein Sabbatjahr zu bitten. In dem Moment, in dem dieser Entschluss gefasst ist, geht auch schon das Kribbeln in meinem Bauch los. Ein nach monatelangem Alltagstrott fast fremdgewordenes Gefühl, das mich bei Aufregung immer überkommt. Hinzu kommt die mich schon länger begleitende pflichtbewusste Vernunftstimme in meinem Kopf:

„Hast du eigentlich noch alle Tassen im Schrank, mitten in einer weltweiten Pandemie eine Weltreise zu planen?“

Trotz aller Zuversicht, meinen Lebenstraum der Weltreise letztendlich verwirklichen zu können, lässt sich die Vernunftstimme seit Monaten nicht komplett ausschalten. Dass ich jetzt „ernst mache“ und meinen Arbeitgeber informieren will, macht es natürlich nicht besser. Ich sage mir, dass ich in der aktuellen Situation damit einfach klarkommen muss.

Anders ist es mit dem ungewohnten Kribbeln in meinem Bauch, das sich bis zum Montagmorgen hartnäckig hält. Mir ist klar, dass ich die erste Gelegenheit, meinen Gruppenleiter zu sprechen, ergreifen werde. Ich habe nicht vor, die innerliche Aufregung noch länger mit mir herumzutragen.

Tatsächlich kommt er genau an diesem Tag morgens zu mir ins Büro. Überrumpelt verpasse ich die erste Gelegenheit, weil ich mich vor Aufregung kaum noch konzentrieren kann. Auf jeden Fall will ich mir die ersten Sätze nochmal zurechtlegen. Kurz darauf kommt er wieder zu mir ins Büro. Ich fühle mich zwar immer noch nicht bereit, aber ein zweites Mal verpasse ich die Gelegenheit nicht und frage nach einem Gespräch. Er will noch schnell etwas fertigmachen und in 5 Minuten kann ich kommen. Wow, das geht schnell. Was er wohl vermutet? Ich habe in dem guten halben Jahr, seit ich hier angefangen habe, noch nie nach einem persönlichen Gespräch gefragt.

Für das Gespräch hatte ich mir vorgenommen, nicht lange um den „heißen Brei“ herumzureden. Daran halte ich mich und mache es kurz: „Ich habe vor, nächstes Jahr meinen Lebenstraum einer einjährigen Weltreise zu verwirklichen und hoffe, für diese Zeit freigestellt werden zu können“. Ich erkläre außerdem, dass mir viel an meiner aktuellen Stelle liegt und ich nach der Weltreise gerne in den Job zurückkehren würde.

„Puh, jetzt ist es raus“, denke ich mir und atme einmal tief durch. Jetzt gibt es wirklich kein Zurück mehr.

Während bei mir die Nerven blank liegen, bleibt mein Gruppenleiter vollkommen gefasst, zeigt sich freudig und fragt interessiert nach den Details zu unseren geplanten Reisedaten. Der Zeitpunkt sei nicht optimal, aber er kann sich gut vorstellen, dass der Vorstand mir ein Sabbatjahr genehmigt. Er will versuchen, in einem guten Moment mit dem Vorstand zu sprechen und sagt mir seine Unterstützung zu.

Allein das sorgt bei mir schon für eine riesige Erleichterung und ich sage ihm, wie dankbar ich bin, dass er sich für mich einsetzen will.

Voller Freude gehe ich zurück an meinen Arbeitsplatz und lasse das Gespräch kurz sacken. Es kommt mir surreal vor, dass ich gerade den ersten wichtigen Schritt für die Weltreise genommen habe. Innerhalb weniger Minuten habe ich mein Berufsleben „mal eben“ auf den Kopf gestellt und es fühlt sich unglaublich gut und befreiend an. Jetzt liegt es nämlich erstmal nicht mehr in meiner Hand. Als nächstes ist mein Arbeitgeber an der Reihe, mir eine Rückmeldung zu geben. Ich frage mich, wie viele Tage ich wohl abwarten muss.

Dass es ein paar Stunden später schon so weit ist, hätte ich definitiv nicht erwartet. Doch heute war wohl mein Glückstag! Mein Gruppenleiter kam ein paar Stunden zu mir ins Büro und meinte: „Ich will nicht zu viel versprechen, aber zu 99,99 % klappt es. Bitte stellen Sie einen schriftlichen Antrag beim Vorstand“. Das habe ich mir nicht zweimal sagen lassen und gebe am selben Tag meinen Antrag persönlich beim Vorstand ab. Sein Kommentar:

„Wir machen das so.“

Damit war es endgültig um mich geschehen und ich war zu diesem Zeitpunkt der wohl dankbarste Mensch auf diesem Planeten.

Laura

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